Tim Plus

Gute Tage sehen anders aus. Es ist kalt in
Köln, überraschend viele Leute haben für einen
Außenminister
aus dem Big Brother-Container
votiert und die Bandprobe der Plusband
muss ausfallen, da sich zwei Mitglieder beim
Wasserski
und Inline-Skaten außer Gefecht gesetzt
haben. Gute Laune hat Tim plus trotzdem.
Kurz vor der Veröffentlichung seines gemeinsam
mit dem Jazzmusiker Til Schneider und
besagter Band eingespielten Debüts “Nächster
Halt” überwiegt bei dem Kölner Rapper und
Sänger eine zufriedene Anspannung.Du bist nicht nur Rapper und Vokalist, sondern
vor allem Bandleader. Ist das stressig?
Na ja, der musikalische Kopf bin ich in dem Sinne
nicht, dass ist Til Schneider. Unser Glück ist, dass die
gesamte Band absolut offen für Tils Musikverständnis
ist. Die Jungs sind alle sehr jung und talentiert, da ist
es wichtig, einen erfahrenen Mann dabei zu haben, der
den Gesamtkontext im Blick hat. So ist die Organisation
sehr ergiebig. Für mich war es immer der Traum,
mit einer Band zu spielen – schon einen Drummer
im Rücken zu haben, gibt einem Rapper eine ganz
andere
Dynamik und macht eine Menge Spaß.
Ein Leitmotiv deines Albums ist die Rastlosigkeit.
Pappkartons, Umzüge, Reisen ohne anzukommen,
das sind wiederkehrende Motive. Bist du
ein Getriebener?
Auf jeden Fall. Cool, dass das rüber kam! Wie der
Name schon sagt, sehe ich “Nächster Halt” als einen
Zwischenstopp oder einen Anfangspunkt, da wir jetzt
ein wirklich kreatives Umfeld geschaffen haben, mit
dem wir etwas bewegen können. Ich bin ich in den
letzten Jahren sechsmal umgezogen, zwischen Köln
und Siegen gependelt und ständig unterwegs gewesen.
Der Song “Wohin” beschreibt ja die Sehnsucht
danach, irgendwo ankommen zu wollen. Andererseits
empfinde ich diesen Zustand der Veränderung als
produktiv
und bereichernd.
Deine Texte sind sehr untypisch für heutigen
Rap. Du reihst nicht bloß Aussage an Aussage,
um ein Songkonzept auszuarbeiten, sondern
arbeitest mit Bildern und Stimmungen, die sich
nicht direkt erschließen.
Was genau beim Schreiben eines Textes passiert,
will man ja selbst gar nicht wissen. (lacht) Das ist
schon ein mysteriöser Vorgang. Teilweise ist es sehr
befreiend,
verschiedene Zeilen zu einem Gesamten
zusammen zu fügen, es kann aber auch qualvoll sein.
“Uschi & Renate” zum Beispiel ist so ein absurder
Song über eine wahre Begebenheit, die in der Realität
überhaupt nicht witzig war.
Dass Rapper momentan aus dem bloßen
Rapper-
Dasein herauswachsen wollen, ist nichts
wirklich Neues. Die Vergleiche zu Clueso, Peter
Fox, Max Herre oder Dendemann dürften dir
mittlerweile
zum Hals raushängen, oder?
(lacht) Ich habe da mittlerweile so eine Hornhaut
gebildet.
Am Anfang hat mich das schon genervt. Als
wenn ich den ganzen Tag zu Hause sitze und mir Platten
anhöre, die ich dann nachspiele... Mich freut es allerdings,
dass ich nicht immer die selben Vergleiche zu
hören bekomme – von Marteria bis Grönemeyer war
schon alles dabei. Auch im Pressetext von meinem
Label Jakarta gibt es ja bestimmte Verweise, das kann
ich auch verstehen. Die Leute brauchen eben gewisse
Referenzpunkte, da muss man halt durch. - Juice, Autor: Julian Brimmers