Troika Trash

Auf einem Teppich stehen Spielzeugroboter, Kinderradios, Aufziehautos. Drumherum gruppiert ein E- Bass mit Trommelkorpus, als Saitenobjekt hält auch ein ausgewaideter Tennisschläger her, eine Stromgitarre am Bühnenrand hat man geköpft, zwei Instrumente draus gemacht. Die geisterhafte Szenerie ist mit Schirmlämpchen ausgeleuchtet. Damit kein Irrtum aufkommt: Wir sind hier nicht im Gebrauchtwarenlager, sondern an der Jazzwerkstatt Bern, und schon legt das Kollektiv Troika Trash los.

Wisperndes Fiepen von den Spielzeugen, Collagen aus Radiosendern, bald ein gewaltiges Rock-Ostinato, das dem ekstatischen Spoken Word-Mann Max Usata, der mal nach jammerndem Rapper, mal nach Robert Johnson auf Speed tönt, als Unterbau dient. Exotische Flöten und jaulende Synthsounds funken dazwischen. Überraschend, wie die fünf aus ihrem schrottigen Arsenal eine doch stringente Dramaturgie zwischen HipHop, Progrock und archaischem Blues zimmern! - Tageswoche, Stefan Franzen

«Aufgabe 1: Video von Troika Trash anschauen. Aufgabe 2: Selber mit einfachsten Mitteln ein Instrument bauen. Aufgabe 3: Neues entdecken. Aufgabe 4: Fragenstellen.»

Mit diesen Übungen werden sich nächste Woche Berner Schülerinnen und Schüler beschäftigen. Die Bieler Band Troika Trash, die am Festival Jazzwerkstatt Bern auftritt respektive für dieses ins Leben gerufen wurde, gibt nämlich im Rahmen des Festivals auch ein Schülerkonzert. Sie wird sozusagen Schulstoff, der Veranstalter Bee Flat hat darum vier Seiten «pädagogisches Begleitmaterial» zur Band bereitgestellt. Dabei hat sich die ganze Band erst diese Woche zum ersten Mal komplett gesehen. Am Dienstag hat der Pianist und Komponist Manuel Engel den Panamaer Chale Icaza vom Flughafen abgeholt. Engel kennt ihn aus seiner Zeit in New York, die beiden sind Freunde geworden, und es habe sie schon immer ein intuitives Verständnis beim Musizieren verbunden, erzählt Manuel Engel. Icaza wird die Bieler Max Usata (Stimme), Chrischi Weber (Gitarre, elektronische Effekte), Igor Stepniewski (Viobass) und Manuel Engel an der Drumbox komplettieren. «Wir verstehen uns auf der menschlichen Ebene sehr gut», freut sich Engel, «das ist eine gute Voraussetzung, um zusammen Musik zu machen.» Eine handelsübliche Band ist Troika Trash indes nicht. Als die Jazzwerkstatt im letzten September Manuel Engel nach einem Projekt fürs Festival anfragte, hatte dieser in einem ersten Reflex an «irgend etwas mit 100 Streichern» gedacht, in einem zweiten sich aber über die Machbarkeit Gedanken gemacht. Und so kam er auf die Idee zu Troika Trash: Eine Band, die auf selbstgebastelten Instrumenten spielt. Es handle sich also um eine «sehr wortgetreue Interpretation des Jazzwerkstatt-Gedankens», schreibt der Veranstalter – das Festival will Experimente zeigen, Neues wagen, ungewohnte Wege gehen. Und so spielt Troika Trash beispielsweise mit einem Tennisracket, das zur Gitarre umfunktioniert wurde. Mit einer Violine, auf die zwei Bass-Saiten gespannt sind. Mit einem Saiteninstrument, das aus Büchsen, Storen-Lamellen und einem (funktionierenden) Feuerzeug als Steg besteht. Mit einer selbstkonstruierten Slide Gitarre, einem kurios montierten Schlagzeugset, diversen elektronischen Instrumenten wie einem Theremin. Und mit unzähligen kleinen klingenden Spielzeugen wie Spielhund mit Glocke oder dem jodelnden Teddybären. Diese Konstellation scheint in erster Linie komödiantisches Potenzial zu haben.

Manuel Engel stellt keineswegs in Abrede, dass es auf der Bühne lustvoll zu und hergehen wird – er betont aber zugleich, dass es dem Projekt nicht an künstlerischer Tiefe mangelt. Einerseits spielt die Band durchaus «seriöse» Musik: Zehn Stücke hat Engel komponiert, sie nähren sich vom Jazz, dem Rock, dem Hip-Hop, panamaischer Folklore, dem Industrial und dürften bisweilen auch in die improvisierte Musik ausufern. Anderseits hat Troika Trash auch einen theoretischen Unterbau und stellt etwa die Frage nach dem Umgang mit dem Abfall. «Wir wollen auch ein Bewusstsein schaffen», sagt Manuel Engel. Die Band veröffentlicht darum fürs Erste nicht eine CD mit ihrer Musik, sondern einen USB-Stick, den sie an den Konzerten verkauft. Er enthält Videos, Songs, Bilder und Texte, er kann bei Nichtgefallen problemlos für andere Inhalte genutzt werden und thematisiert so beiläufig auch die Wertigkeit der physischen Manifestation eines Werks. Texte, Videos, Malerei...

In den letzten Wochen hat die Band mehrmals mit verschiedenen Schlagzeugern aus der Region geprobt, die gerne ausgeholfen haben. Vor dem Auftritt an der Jazzwerkstatt spielt sie in den nächsten Tagen mehrere Konzerte, darunter auch eines in Biel. Dabei soll es nicht bleiben: Anschliessend folgt eine Tournee mit Konzerten in Frankreich, Belgien und Holland, an deren Ende an drei Tagen im Studio Magnetophon Aufnahmen für ein Album folgen, das Ende Jahr veröffentlicht werden soll.

Inhaltlich abgeschlossen ist das Projekt noch lange nicht, im Gegenteil. «Wir haben zahlreiche Ideen, die wir weiterentwickeln wollen», sagt Manuel Engel. Troika Trash dürfte noch stärker zum multimedialen Projekt werden, das sich über Texte, Videos, Malerei und Musik verschiedenster Ausdrucksformen bedienen wird. Vorerst aber nehmen die Musiker in diesen Tagen den Feinschliff an den Instrumenten und den Songs vor und packen Werkzeuge ein für die Konzerte. An diesen fertigen sie nämlich noch auf der Bühne das eine oder andere Instrument. Manuel Engel sagt kurz und schlicht: «Ich freue mich!» - Bieler Tagblatt, Tobias Graden